Legionellen im Kühlwasser

Legionellen im Kühlwasser

Legionellen im Kühlwasser

Einführung: Wo ist das Problem?

Verdunstungskühlanlagen nutzen den hohen Energieaufwand, der zur Verdunstung von Wasser erforderlich ist, zur adiabaten Kühlung. Das sind immerhin 2,3 MJ pro kg verdunstetem Wasser. Diese Anlagen werden daher eingesetzt, um Wärmelasten, z.B. aus technischen Prozessen, sehr wirtschaftlich abzuführen.

Allgemeines Risiko:

In Verdunstungskühlanlagen können aber auch wegen ihres Temperaturbereiches unter ungünstigen Bedingungen starke Vermehrungen von Legionellen auftreten. Damit können legionellenhaltige Wassertröpfchen (Aerosole) emittiert werden, die beim Einatmen bei Menschen zu schweren Lungenentzündungen, sogar mit Todesfolge, führen.

Legionellen sind Wasserbakterien, die in allen Süßwässern vorkommen. Beträgt die Temperatur des Wassers zwischen 25 und 45°C, kann es zu enormen Vermehrungen mit erheblicher Gesundheitsgefahr kommen. Beispiele sind die hohen Zahlen von Lungenerkrankten in Murcia (Spanien), in Ulm im Januar 2010 und in Jülich im Herbst 2014. Gefährdungen können sowohl für Beschäftigte im Umfeld der aerosolerzeugenden Anlagen als auch für völlig Unbeteiligte durch den Lufttransport eines Aerosols entstehen.

Alle wasserführenden Systeme müssen daher die Hygiene-Anforderungen zur Vermeidung von Gesundheitsgefährdungen zuverlässig erfüllen.

Was sind die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu Hygiene-Anforderungen an Verdunstungskühlanlagen?

Unmittelbar nach der Ulmer Epidemie beschloss der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) die Erarbeitung einer Richtlinie, die nun als Richtlinie VDI 2047-2 mit dem Titel "Sicherstellung des hygienegerechten Betriebes von Verdunstungskühlanlagen" erschienen ist und die Hygiene-Anforderungen an Planung, Errichtung, Betrieb und Instandhaltung solcher Anlagen verbindlich regelt.

In der neuen Richtlinie VDI 2047-2 werden die baulichen, technischen und organisatorischen Anforderungen für einen hygienisch einwandfreien Betrieb für die Planung, das Errichten und das Betreiben einschließlich der erforderlichen Instandhaltung von Verdunstungskühlanlagen genannt. Bei der Einhaltung dieser Anforderungen werden Risiken für Beschäftigte und Dritte, z.B. durch Legionellen, minimiert. Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie ist, die Betriebssicherheit von Verdunstungskühlanlagen sicherzustellen. Unter dieser Voraussetzung ist die Wahl des Aufstellungsorts von untergeordneter Bedeutung.

Was sind die Anforderungen an die Planung, Errichtung und Inbetriebnahme von Verdunstungskühlanlagen?

Verdunstungskühlanlagen müssen so geplant werden, dass die denkbaren Gefährdungen sowohl im bestimmungsgemäßen Betrieb als auch bei Stillstandszeiten ausgeschlossen werden. Bei Neuanlagen ist daher im Rahmen der Planung und bei bestehenden Anlagen eine Risikoanalyse zu erstellen, die Teil der Risikobeurteilung wird.

Die Risikobewertung muss folgende Punkte enthalten:
  • hygienische Sicherheit (Emissionsschutz, Arbeitsschutz)
  • Prozesssicherheit (Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit)
  • Anlagensicherheit
  • Rohwasseranalyse
Hygiene-Erstinspektion

Vor der Erstbefüllung der Anlage muss eine Erstinspektion durch geschultes Fachpersonal durchgeführt werden, um festzustellen, ob die konstruktiven Merkmale der Anlage den Besonderheiten des Aufstellorts sowohl nach hygienischen als auch technischen Gesichtspunkten gerecht werden. Erkannte gravierende Mängel müssen vor Erstbefüllung beseitigt werden.

Erstbefüllung und Probebetrieb mit Wasser, Wasserbeschaffenheit

Vor Aufnahme des Probe- oder bestimmungsgemäßen Betriebs wird die Verdunstungskühlanlage mit Wasser befüllt. Die chemische und mikrobiologische Beschaffenheit des Wassers an der Übergabestelle und deren Schwankungsbreite müssen vor der Befüllung bekannt sein.

Es sollten mindestens die folgenden Parameter überprüft werden:

  • Koloniezahl
  • Legionella spp. und
  • Leitfähigkeit

Betrieb und Instandhaltung

Verdunstungskühlanlagen müssen so betrieben und in Stand gehalten werden, dass die denkbaren Gefährdungen sowohl im bestimmungsgemäßen Betrieb als auch bei Stillstandzeiten ausgeschlossen werden. Die im Rahmen der Planung erstellte Risikoanalyse ist daher zu beachten und fortlaufend zu aktualisieren.

Aufgrund des hohen Gefährdungspotentials ist ein hoher Grad an betrieblicher Zuverlässigkeit einer Verdunstungskühlanlage zu gewährleisten. Als Hauptziel ist die unzulässige Vermehrung von Mikroorganismen zu verhindern. Die Beschaffenheit des Kreislaufwassers, insbesondere dessen Mikrobiologische Beschaffenheit ist daher engmaschig zu überwachen.

Überwachung und Prüfzyklen

Der Systemzustand einer Verdunstungskühlanlage (Kreislaufwasserbeschaffenheit, Funktionen, Ablagerungen, Beschädigungen und Korrosion) muss durch periodische Kontrollen und Prüfungen überwacht werden. Bedingt durch veränderliche Umgebungsbedingungen (z.B. Temperatur, Beschaffenheit des Rohwassers, vor Allem aber Nährstoffeintrag) ergeben sich Schwankungen in der mikrobiologischen Beschaffenheit des Kreislaufwassers. Ein enges Untersuchungsintervall, z.B. monatlich, wird daher empfohlen. Die Legionellenuntersuchungen sind mindestens vierteljährlich durchzuführen. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass der Zeitpunkt der Probenahme den Normalbetrieb widerspiegeln muss und daher mit ausreichendem Intervall nach einer Stoßdosierung des Biozids zu erfolgen hat.

Zur Überprüfung der hygienisch-mikrobiologischen Beschaffenheit sowie Überwachung des Kreislaufwassers müssen folgende Mindestparameter periodisch untersucht werden:

  1. Nachweis von Legionella spp.: mindestens quartalsmäßig
  2. allgemeine Koloniezahl: monatlich, eventuell wöchentlich mit Tauch-Nährstreifen (Dip-Slides)
  3. Leitfähigkeit: kontinuierliche Überwachung
  4. Weitere Parameter: individuelle prozess- und anlagenspezifische Festlegung auf der Grundlage einer Gefährdungsbeurteilung

Die allgemeine Koloniezahl und Pseudomonas aeruginosa werden in diesem Zusammenhang als Überwachungsparameter verstanden. Erhöhte Konzentrationen sind hier nicht im Sinne einer Gesundheitsgefährdung zu sehen, sondern sollen Anlass zu einer Überprüfung der Anlage und der Betriebsweise geben. Im Gegensatz dazu ist Legionella spp. ein hygienisch relevanter Pflichtparameter.

Desinfektionsverfahren

Die mikrobiologische Beschaffenheit des Kreislaufwassers kann durch Desinfektionsverfahren begrenzt werden.

Als wirksame Desinfektionsverfahren können sowohl chemische Stoffe (Biozide) als auch das physikalische Verfahren der UV-Bestrahlung oder Kombinationen aus beiden eingesetzt werden. Beim Einsatz von Bioziden zur Beherrschung von Mikroorganismen im Kreislaufwasser sind die Einhaltung der Einsatzkonzentrationen und Kontaktzeiten essenziell. Durch zu geringe Konzentration oder Einwirkzeit kann es zur Ausbildung von Resistenzen und Adaption kommen. Die erforderliche Wirkstoffkonzentration muss an allen Stellen des Wasserkreislaufs erreicht werden. Dies gilt einschließlich aller Abnehmer bis zum Eintritt in den Kühlturm. Die Wirksamkeit des eingesetzten Biozidprodukts gegen Legionellen muss durch eine Prüfung nach DIN EN 13623 nachgewiesen sein. Um die Wirkung von Bioziden zu unterstützen, können oberflächenaktive Substanzen (Dispergatoren) zum Einsatz kommen.

Wichtiger Hinweis:

Zum Einsatz nicht oxidierender Biozide ist der Wirkstoff quartalsweise zu wechseln, um Resistenzen vorzubeugen. Bei Nachweis weiterer vorhandener Wirksamkeit kann das Intervall verlängert werden.

Um die richtige Biozidkonzentration festzulegen, müssen

  • das Gesamtvolumen des Kreislaufwassers bekannt sein
  • die Zehrung durch Mikroorganismen, andere Wasserinhaltsstoffe und/oder Filter
  • die mittlere Verweilzeit im System und die Zeit, in der die Wirksamkeit des eingesetzten Biozids unter den Systembedingungen (Temperatur, pH-Wert) gegeben ist, berücksichtigt werden.

Bei oxidativen Bioziden ist eine kontinuierliche Überwachung möglich. Als Steuergröße für die Dosierung können amperometrische oder direktphotometrische Messmethoden herangezogen werden. Die Messung des Redoxpotenzials eignet sich nur als Überwachungsparameter.

Der Einsatz von nicht oxidativen Bioziden muss validiert werden. Eine analytische Konzentrations-bestimmung ist nur in Ausnahmefällen möglich. Daher ist beim erstmaligen Einsatz von Bioziden und bei Biozidwechsel eine engmaschige mikrobiologische Überwachung notwendig.

UV-Desinfektionssysteme können bei Wässern eingesetzt werden, deren UV-Absorption dies zulässt (Füllwasser, z.B. Trinkwasser, Permeat nach Umkehrosmose). Eine wirksame Messeinrichtung für die UV-Bestrahlung nach DVGW W 294-3 muss vorhanden sein. Gegen UV-Bestrahlung können Mikroorganismen keine Resistenzen bilden. Sofern die Bestrahlung mindestens 400 J/m2 beträgt, ist die Desinfektion gewährleistet. Da die UV-Desinfektion nur im Bestrahlungsbereich erfolgt, müssen zur Desinfektion der Oberflächen innerhalb der Verdunstungskühlanlagen periodisch nach Bedarf Stoßdosierungen mit einem geeigneten Desinfektionsmittel durchgeführt werden. Durch den Einsatz von UV-Desinfektionssystemen kann der gebotene Einsatz von Bioziden deutlich verringert werden.

Qualifizierungen, Schulung von Personal

Aufgrund der Bedeutung der hohen Anforderungen an den verkehrssicheren Betrieb von Verdunstungskühlanlagen, sind gemäß der Richtlinie VDI 2047-2 die verantwortlichen und/oder mit der Durchführung von Arbeiten betrauten Mitarbeiter in Schulungen für ihre Aufgaben zu qualifizieren. Die Richtlinie legt daher Randbedingungen und Inhalte zu den erforderlichen Schulungen fest.

Es wird dringend empfohlen, die in dieser Richtlinie beschriebenen Hygieneschulungen vertraglich für die hygienebewusste Planung, Errichtung, Betrieb und Instandhaltung von Verdunstungskühlanlagen zu vereinbaren.

Die eintägige Schulung schließt mit einer Prüfung ab. Zum Nachweis der Qualifikation erhalten die Teilnehmer nach erfolgreicher Prüfung ein persönliches VDI-Zertifikat.

In den Schulungen müssen neben den relevanten Grundlagen vor Allem die besonderen Hygiene-anforderungen vermittelt werden. Die handelnden Personen müssen in die Lage versetzt werden, die für die betrieblichen Belange individuell erforderlichen Leitlinien und Handlungsanweisungen für eine hygienegerechte Verfahrenspraxis auf allen Stufen des Umgangs mit derartigen Systemen (Planung, Errichtung, Betrieb, Instandhaltung einschließlich Reinigung und Desinfektion) zu verstehen, umzusetzen und je nach weiterer persönlicher Qualifikation auch zu erstellen.

Insbesondere müssen Gefährdungspotentiale ermittelt werden können und durch geeignete Anweisungen und Maßnahmen auf ein akzeptables Maß reduziert werden.

Die Referenten müssen ihre geforderten einschlägigen fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen für die Bereiche Technik und Hygiene nachweisen.

Ausblick: Verbindliche rechtliche Regelungen

(Stand 2017)

Auf Grund des hohen Gefährdungspotentials durch krankheitsauslösende Legionellenvermehrung in Verdunstungskühlanlagen ist neben der Richtlinie VDI 2047-2 mit einer verbindlichen rechtlichen Regelung im Rahmen einer Verordnung auf der Grundlage des "Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG)" in 2017 zu rechnen.

Die Anlagen sollen so geplant, errichtet und betrieben werden, dass Verunreinigungen des Kühlwassers durch gesundheitsgefährdende Mikroorganismen, insbesondere Legionellen, vermieden oder deren Konzentrationen so niedrig gehalten werden, wie dies nach dem Stand der Technik möglich ist. Als Stand der Technik sollen die Anforderungen der Richtlinie VDI 2047-2 zu Grunde gelegt werden.